Legasthenie im Schulalltag
16. September 2023
Legasthenie, Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), Lese-Rechtschreibschwierigkeit oder Lese-Rechtschreibstörung?
Beim Thema Legasthenie stehen oft viele unterschiedliche Begriffe im Raum, die sich alle ziemlich ähneln. Deshalb nutzen viele Menschen diese Begriffe synonym, ohne zu wissen, dass es hier Unterschiede gibt:
Der Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e.V. benutzt für „gravierende Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten, welche die ICD-10-Kriterien erfüllen“, den Begriff Lese-Rechtschreibstörung oder Legasthenie. Die ICD-10-Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Legasthenie lauten: Es bestehen eindeutige Probleme beim Lesen und der Rechtschreibung, die nicht auf Entwicklungsalter, unterdurchschnittliche Intelligenz, fehlende Beschulung, psychische Erkrankung oder Hirnschädigung zurückzuführen sind. Die WHO unterscheidet zusätzlich zwischen einer isolierten Rechtschreibstörung und einer isolierten Lesestörung. Das heißt: Es können auch gesondert Schwierigkeiten beim Lesen oder der Rechtschreibung auftreten.
Im Gegensatz zur Lese-Rechtschreibstörung handelt es sich bei einer bezeichneten „Schwäche“ oder „Schwierigkeit“ um einen pädagogischen Begriff. Eine sogenannte „Störung“ ist schließlich eine medizinische Diagnose, die einen Krankheitswert beschreibt. Bei Legasthenie werden oft Wahrnehmungsstörungen als Ursache in Betracht gezogen – eine Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) kann dagegen auch bei nicht wahrnehmungsgestörten Kindern auftreten.
Wie macht sich Legasthenie bemerkbar?
Ungefähr zwölf Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat eine Lese-Rechtschreibstörung. Wenn Kinder von Legasthenie betroffen sind, macht sich das beispielsweise an langsamem, fehlerhaftem (Vor-)lesen bemerkbar. Auch Schwierigkeiten, Gelesenes zu wiederholen oder wiederzugeben, Auslassung oder Vertauschung von Buchstaben, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler oder verwaschene Aussprache gehören zur Symptomatik.
Betroffene Schüler können deshalb in allen möglichen Fächern, in denen diese Kompetenzen viel gefordert werden, Probleme bekommen. Besonders häufig treten Schwierigkeiten auch bei Fremdsprachen und Textaufgaben in Mathematik auf.
Legasthenie tritt zudem häufig mit Begleiterkrankungen oder -schwierigkeiten auf. Die häufigsten davon sind: Dyskalkulie, Angststörung, ADHS und depressive Störung. Diese Begleiterscheinungen machen den Verlauf einer Legasthenie oft (noch) schwerer. Deshalb ist es umso wichtiger, Anzeichen für Begleiterkrankungen frühzeitig zu erkennen und ernst zu nehmen. Durch gezielte Förderung kann oft Einiges abgefangen werden.
Notenschutz und Nachteilsausgleich
Bei Schülerinnen und Schülern, die von Legasthenie betroffen sind, gibt es in der Schule die Möglichkeit eines Notenschutzes und Nachteilsausgleichs. Beim Notenschutz wird die Rechtschreibung entweder fast nicht bewertet oder ganz von der Bewertung ausgeschlossen. Ein Nachteilsausgleich kann in diesen Formen eingesetzt werden: Beispielsweise mehr Zeit bei schriftlichen Prüfungen, eine stärkere Gewichtung mündlicher Leistungen oder das Gestatten von Hilfsmitteln bei Leistungserbringungen.
Wie genau Nachteilsausgleich und Notenschutz geregelt sind, unterscheidet sich in Deutschland von Bundesland zu Bundesland. In welcher Form ein Nachteilsausgleich möglich ist, hat das Institut für integrative Lerntherapie und Weiterbildung in einer Liste der Legasthenie-Erlasse der einzelnen Bundesländer (www.iflw.de) aufgelistet. Die darin aufgeführten Formen von Nachteilsausgleichen sind aber nur Empfehlungen – sie können eingesetzt werden, müssen aber nicht.
Um einen Nachteilsausgleich zu erhalten, muss ein Attest oder Gutachten zur Feststellung der Legasthenie erbracht werden. Meistens entscheiden dann schulpsychologische Beratungsstellen, ob ein Ausgleich umsetzbar ist. Welche Form eines Ausgleichs am besten zum betroffenen Schüler passt, entscheiden dann die zuständigen Lehrer und Lehrerinnen. Auch hier gibt es in der Umsetzung regionale Unterschiede.
Ist Nachhilfe bei betroffenen Schülerinnen und Schülern sinnvoll?
Bei einer Lese-Rechtschreibschwäche kann Nachhilfe eine wertvolle zusätzliche Unterstützung sein, die im regulären Schulunterricht für Betroffene meist zu kurz kommt. Auch der Studentenring bietet für Kinder, die eine Lern-, Lese- oder Rechtschreib-Schwäche haben, Einzelnachhilfe an. Beim Studentenring erhalten betroffene Schülerinnen und Schüler eine zielorientierte, individuelle Förderung
Bei Legasthenie ist angepasste Nachhilfe auch möglich, es wird jedoch über alle anderen Angebote hinaus eine Lerntherapie empfohlen. Man kann bei Schülern mit Legasthenie durch gezielte Übungen in der Nachhilfe versuchen, die Aufmerksamkeit zu steigern und die Sinneswahrnehmung zu verbessern. Auch hier kann der Studentenring mit Einzelnachhilfe unterstützend zur Seite stehen und das Kind entsprechend fördern.
Klage wegen Zeugnisvermerk bei Lese-Rechtschreibstörung
Für den Notenschutz wird außerdem ein Hinweis im Zeugnis vermerkt, der beispielsweise so lauten kann: „Auf die Bewertung von Rechtschreibung wurde verzichtet.“
Vor einigen Monaten klagten drei ehemalige Abiturienten aus Bayern gegen diesen Zeugnisvermerk. Die drei Kläger wollen den Satz aus ihren Zeugnissen entfernen lassen, weil sie dadurch Nachteile bei Bewerbungen befürchten. Viele Arbeitgeber seien von diesem Hinweis in Zeugnissen abgeschreckt, heißt es. Vom Bundesverfassungsgericht gibt es aktuell noch kein Urteil. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Kläger 2015 bereits ab, da es den Hinweis im Zeugnis für zulässig hielt.
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